Chantal in Armenien

Das ich in Armenien gelandet bin, war schon ein großer Zufall. Ich erinnere mich ich wie ich letzten Sommer ein wenig in Erwartung und Angst sitzend, mich entscheiden wollte was ich nach meinem Bachelor-Studium denn tuen soll. Die Anzeige für die Nationalgalerie in Yerevan, der größten Gemäldesammlung armenischer Kunst, klang nach kurzer Bedenkzeit wie ein guter Plan und nach einer Woche und einem geglückten Bewerbungsgespräch war klar: ich ziehe in den Zentralkaukasus. Ob kopflos oder abenteuerlustig, fand ich mit meinen russischen Wurzeln viel Reiz daran in ein Land zu ziehen dass genauso vom Kommunismus berührt wurde, wie das Land in dem ich geboren wurde aber nie leben konnte. Dass hier nichts wie in Europa sein wird, habe ich mir vorgestellt, aber sich mental auf so etwas einzustellen reicht nicht, man muss es auch gelebt haben.
Bis zu meiner Ankunft wusste ich auch ehrlich gesagt noch nicht so viel über das Land, meine einzige Verbindung bisher war eine armenische Freundin die mir immer wieder vom weltbesten Kaffee vorgeschwärmt hat. Nichts käme an die Intensität und den vollen Geschmack dieses Kaffees heran. Und so war mein Aufenthalt dauerhaft. Die erste Woche die ich in Yerevan verbrachte war eine einzige Feierwoche, bei der die Stadt abgesperrt wurde und lauter Buden und Märkte auf den Gehwegen eingerichtet wurden um den 2800 Geburtstag der Stadt zu feiern. Dass Armenier ein Volk ist dass sich gerne amüsiert wird mir in Erinnerung bleiben. Ich durfte unzählige unerwartete Einladungen in Wohnungen und Cafés annehmen, und selbst auf verlassenen Landstraßen gibt es immer eine freudige BBQ-Gesellschaft die dich auf ein Glas und einen vollen Teller einladen möchte.
So ausgeglichen und bereichernd meine Freizeit war, bei meinem Projekt hatte ich doch auch meine Schwierigkeiten mit dem Kulturunterschied anzudocken. Die Arbeitszeiten ab 11 Uhr vormittags waren zwar sympathisch, aber in einem ähnlichen Tempo ging dann auch der Tag voran und nach sechs verbrachten Stunden im Büro fragte man sich: was habe ich hier eigentlich getan? Die Überforderung des Museum mich in die Struktur einzugliedern, endete meist darin dass sie mir lieber gar keine Aufgabe gaben, was den Arbeitsalltag dann sehr trist aussehen ließ, weil die Anwesenheit im Büro wiederum oberste Pflicht war. Aber durch Einfallsreichtum und die Flexibilität meiner Koordinatorin, konnten wir uns darauf einigen dass ich jegliche Kulturveranstaltung und Ausstellung im Umkreis Armeniens besuchen konnte, was ich für eine andere Art des Lernens halte und ich denke EVS steht eben dafür: Alternativen suchen und mögliche neue Formen des Lernens erforschen. Denn nicht alles was Wissen ist, wurde an einem Tisch in einem abgeschlossenen Raum gelernt. Ich würde aber trotzdem meinen, dass man an die Projektbeschreibungen nicht zu große Hoffnungen stellen darf, denn nichts von dem was mein Projekt verhießen wurde ist eingetroffen, aber mit Einfallsreichtum und Offenheit kann man trotzdem viel Spannendes aus seinem Freiwilligenjahr machen.
Viele Menschen fragen mich jetzt noch wie man so viel Zeit in so einem kleinen Land verbringen konnte, aber die Tatsache dass man Leute lieb gewinnt und sich immer mehr Teil eines Kreises fühlt, lässt einen Zeit auch vergessen. Es leben insgesamt 3 Millionen Armenier im Land selber, 10 weitere sind über die ganze Weltkugel verstreut. Mir passiert es nach meiner Rückkehr immer öfter dass ich Leuten begegne die armenische Wurzeln haben, aber niemals im Land gelebt haben und wir trotzdem feststellen dass wir gemeinsame Freunde und Erfahrungen haben. Ich habe seitdem auch viele armenische Kirchen und Kulturzentren besucht, die in Europa allerorts existieren. Manchmal fühlt es sich dadurch einfach so an, als hätte ich so einen kleinen Teil meines Lebens mit zurück genommen. Ein Jahr Armenien in einer Hosentasche.

 

chantalinarmenien

 

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