EVS in Russland – große Herausforderung und bleibende Endrücke
Ich war in Russland. Es war kalt. Ich habe Wodka getrunken. Die Menschen waren unfreundlich, aber herzlich.
Soviel zu den bestätigten Klischees. Ich bin über die zugefrorene Wolga gegangen. Sehr beeindruckend. Das Eis ist von tiefschwarzer Farbe und über Strömugen haben sich die spaceigsten Eisplattenskulpturen aufgetürmt. Die Insel kann dann mit einem der wartenden Beiwagenmotorräder überquert werden. Die Maschinen sind übrigens sehr schön mit ihrer schlichten und kantigen Ästhetik – erinnert an die frühen Sechziger. Viele überqueren den breiten Fluss auf Langlaufschiern, den ganzen Winter hindurch beobachte ich beneidenswerten sportlichen Eifer bei Jung und Alt.
Am ersten November bin ich angekommen. Es kam mir etwas düster vor. Mein Mentor ist Kenianer, er hat keine leichte Zeit, denn in Russland hat der Rassismus Hochkonjunktur. Ziemlich oft ist mir bei ansonsten sehr symphatischen Menschen eine leise, aber präsente Xenophobie aufgefallen. Ihr Misstrauen richtet sich auch gegen Menschen aus südlichen, früher sowjetischen Staaten wie Kirgistan, Tadschikistan, Georgien oder, wenig verwunderlich, Tschetschenien.
Es gibt viele Dinge, die den Menschen in Russland das Leben schwer macht. Mit regulären 40 Stunden Jobs verdient man 50 euro im Monat, ein Summe, die auch in Samara, die Stadt, in der ich war, bei weitem keine halbe Monatsmiete abdeckt. Ich habe viel Zeit damit zugebracht, dahinterzukommen, wie die Leute das machen. Ganz werde ich es nie erfahren. Der Eine hält Hasen im Schuppen, die Andere hat einen Cousin bei der Polizei (die korrupt ist und das so „erwirtschaftete“ in der Familie umverteilt), der nächste brennt CDs für den Markt, wer eine datscha (Sommerhaus) hat, baut dort Gemüse und Obst an, wer ein Auto hat, fährt die ganze Nacht als Privattaxi durch die Stadt. Diese Privattaxis sind ein hervorragendes öffentliches Verkehrsmittel, bei dem man, wo man gerade steht, die Hand in die Strasse streckt und mit dem üblicherweise sehr bald anhaltendem Fahrer den Preis zum gewünschten Ort ausmacht.
So meine ersten Eindrücke. Aber ich habe Menschen kennengelernt und Feste gefeiert, wie sonst nirgends. Ich habe so viele herzliche, offene, lustige und, ja, auch trinkfeste Leute getroffen, es war ein grosser Spaß, eine sehr wichtige Erfahrung. Ich werde ganz melancholishch…in Worte fassen kann ich das Jahr eh nicht.
Organisation: ein Bereich mit Potential nach oben
Zum Thema Arbeit, auch Projekt genannt. Ich hätte in einem Rehabilitationszentrum für Drogensüchtige arbeiten sollen. Es gab einige Anfangsschwierigkeiten bezüglich Sprache und Aufgabengebiet. Dann gab es ein paar Folgeschwierigkeiten, dass nämlich im Winter gar keine Patienten anwesend waren. Nebenbei gab es ein paar Schwierigkeiten mit der Hostorganisation.
Schließlich verbrachte ich Zeit bei PSI, einer Organisation für HIV/AIDS-aufklärung, die in Clubs, Universitäten, Schulen, Discos, Snowboard-Contests usw. Aktionen durchführen, Kondome verteilen und informieren. Die HIV-Infektionsrate ist in Russland erschreckend hoch. Auch in einem Zentrum von und für Rollstuhlfahrer, die dort an der Entwicklung von besseren Rollstühlen, Feriencamps für Kinder, einer wöchentlichen Fernsehsendung, Kongressen und Seminaren arbeiten, war ich später öfter.
Heute habe ich in einem Geschäft nahe dem Wiener Brunnenmarkt Stoff gekauft in einem, wie sich herausstellte, von einer russischen Familie geführten Geschäft, ich sage spasiba, und sie sagen lachend doswidanje.
Go europe – go east – go world. Wirklich.